Eine Woche in Brasilien

Auf Einladung von “Wines from Brazil” habe ich mir eine Woche lang den Weinbau im Süden von Brasilien angesehen. Eine ganz neue Erfahrung für mich. Das, was ich als “typisch Brasilianisch” im Kopf hatte, habe ich so gut wie nicht gesehen. Dafür vieles andere, was mich fasziniert hat.

419px-South_America_location_BRA[1]Zunächst musste ich mir erst einmal der Dimension des Landes Brasilien bewusst werden …

Man kann sich das Land ungefähr als Dreieck vorstellen. Die größte Ausdehnung von Nord nach Süd beträgt rund 4.200 km.  Fast ebenso groß ist die Ost-West Ausdehnung. Wenn man die nördliche Spitze auf London legt, ist der südlichste Punkt in Zentralafrika. Der Inlandsflug von Rio de Janeiro nach Porto Alegre dauert 2,5 Stunden und ist mit einem Flug von Köln nach Madrid vergleichbar. Bei einer Fläche von über 8,5 Millionen km² (24 mal so groß wie Deutschland), bedeckt Brasilien fast die Hälfte des südamerikanischen Kontinents.

Die Größe des Landes war mir in diesem Umfang nicht bewusst.

Die Bevölkerung von rund 190 Millionen Einwohnern (nur das 453px-Bev%C3%B6lkerungsdichte_Brasilianischer_Bundesstaaten[1] 2,5  fache im Vergleich zu Deutschland) konzentriert sich an der Ost- und Südküste. Dort lebt etwa 90% der Gesamtbevölkerung. 70% der Bevölkerung Brasiliens, über 130 Millionen Menschen, lebt in Großstädten, allen voran in São Paulo mit etwa 20,5 Millionen Einwohnern und Rio de Janeiro mit etwa 11,4 Millionen. Es gibt noch etliche weitere Millionenstädte in Brasilien, deren Namen mir vorher nicht geläufig waren.

Viele weitere spannende Details über dieses Land kann man bei Wikipedia finden, von wo die beiden Abbildungen sind.

 

Der Weinbau findet größtenteils im Süden Brasiliens statt. Vier der sechs Anbaugebiete befinden Mapa-Wines600[1]Bento Gonçalves sinnvoll. Mit 50.000 ha sind etwa 60% des Weinbaus Brasiliens in diesem südlichsten Bundesstaat namens Rio Grande do Sul. Auch liegt hier die erste und bisher einzige geschützte geographische Herkunftsregion “Vale dos Vinhedos” mit etwa 8.000 ha Rebfläche.

Bei allen Flächenangaben muss man in Brasilien beachten, dass  von den rund 90.000 Hektar nur 800px-Stammbaum_Reben_01[1]10.000 Hektar mit Vitis-Vinifera-Reben bepflanzt sind, aus denen dann “Vinho Fino” gemacht werden kann. Der Rest ist vor allem mit Amerikaner-Reben der Gattung Vitis-Labrusca bepflanzt, die für ihren eigentümlichen Foxton bekannt sind, einem an Katzen-(Fuchs-)urin, intensiven Geranienblüten und Ginster erinnernden, leicht stechendem Aroma. Interessehalber habe ich im Verlauf der Reise auch zwei “Vinho Commun” verkostet, wie diese Weine genannt werden. Eine interessante Erfahrung, aber nichts, was ich mit Genuss trinken würde. Mich hat es an Weine mit Geranienton erinnert.

Aufgrund des im Süden sehr feuchten Klimas – 1.400 bis 1.800 mm Niederschlag pro Jahr sind üblich – hat man vor allem mit Fäulnis und Pilzbefall zu kämpfen. Da verwundert es nicht, dass der Anteil der Schaumweinproduktion sehr hoch ist, da hier die Trauben doch deutlich früher gelesen werden um höhere Säurewerte zu erhalten. Umso mehr verwunderte es mich, dass wir kaum einen guten Weißwein verkostet haben. Vielleicht sind wir hier einfach aufgrund der deutschen Weißweine verwöhnt …

Bei den Rotweinen wird mit einer Vielzahl von bekannten Rebsorten gearbeitet. Auffällig war, dass die Merlots oft die besten Weine der Kellereien waren. Auch Weine aus Cabernet Franc haben sich gut präsentiert, wohingegen sich die Weine aus Cabernet Sauvignon oft schwer taten. Meines Erachtens fehlte meist die notwendige Traubenreife. Positive Überraschungen waren für mich auch Weine aus mit noch unbekannten Rebsorten wie Marselan (Kreuzung von Cabernet Sauvignon x Garnacha tinta) und Egiodola (Kreuzung von Fer Savadou x Abouriou), sowie ein paar Vertreter der aus dem Trentino bekannten Sorte Teroldego.

Hier einige bemerkenswerte Weine, die ich im Verlauf der Reise verkosten konnte:

  • Casa Valduga
    • 2006 Identidade Marselan
    • Espumante 130 Brut
  • Pizzato
    • 2005 Reserva Merlot
    • 2005 Reserva Egiodola 
  • Miolo
    • 2008 Merlot Terroir
    • 2006 Espumante Millesimé Brut
  • Lidio Carraro
    • 2005 Grande Vindimia  Merlot
    • 2006 Grande Vindimia Quorum (Merlot, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Tannat)
  • Salton 
    • 2006 Talento (Cabernet Sauvignon, Merlot, Tannat)
    • 2006 Desejo Merlot
    • 2007 Séries Teroldego
    • Espumante Reserva Ouro Brut
    • Salton produziert als eine der wenigen besuchten Kellereien auch eine gute Einstiegslinie
    • Besonderheit zum Verkosten (nicht wirklich zum Trinken …): Weine von Amerikanerreben mit dem “berühmten” Foxton
  • Santo Emílio
    • 2010 Cellebrato Moscatel Espumante
  • Cordilheira de Sant’Ana
    • 2005 Chardonnay Reserva Especial
    • 2008 Chardonnay Reserva Especial
    • 2004 Cabernet Sauvignon Reserva Especial
  • Dal Pizzato
    • 2009 Touriga Nacional
  • Piagentini
    • 2006 Espumante Decima Brut Gran Reserva (Viognier, Chardonnay)
  • Cordelier
    • 2005 Cordelier Equilibrium (Cabernet Sauvignon, Merlot, Ancellotta)

Zusammenfassend denke ich, dass sich viel tut in Brasilien, aber auch noch viel getan werden muss.